Lernbegleiter*innen wachsen nicht auf Bäumen

22.2.2023

Lernbegleiter*innen sind Mangelware und werden händeringend gesucht. Doch wie kann man sie finden ? Oder wie selbst „ausbilden“? Was braucht es für einen guten Übergang vom staatlichen Schulsystem in eine Freie Alternativschule?

Dass es nicht unbedingt einfach ist, geeignete Mitarbeiter*innen zu finden, kann wohl jede Freie Schule und #Gründungsinitiative unterschreiben.

Schade Marmelade!

Wir brauchen sie doch so dringend. Überall herrscht Mangel anqualifiziertem Personal. Und in diesem Fall ist eine besondere Herausforderung nicht nur der Mangel an Lehrer*innen, der im ganzen Bundesgebiet Sorgen bereitet, sondern auch die Fragen danach, was #Lernbegleiter*innen denn eigentlich sind, wie man eine/r wird und natürlich wie und wo man sie überhaupt finden kann. 

Über der Frage, welche Wünsche eine jeweilige #Alternativschule an seine Lernbegleiter*innen hat, steht aufgrund der äußeren Vorgaben meist die Frage nach den Qualifikationen, die die entsprechenden #Schulbehörden fordern.

Das ist nicht nur eine ziemliche Bremse im System Freier Alternativschulen, sondern auch noch von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich.

Es geht hier, neben der Frage der #Refinanzierbarkeit von Lernbegleiter*innen, auch darum, alle rechtlichen Vorgaben zu erfüllen, um als Schule an den Start gehen oder bestehen zu dürfen.

Ich habe unzählige Bewerbungsgespräche mit tollen und interessanten und nach meinem Dafürhalten auch qualifizierten, Menschen geführt, die dann von Behördenseite keine Unterrichtsgenehmigung erhielten. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir ein junger, sehr engagierter Erziehungswissenschaftler und ausgebildeter Koch. Er arbeitete an einer Berufsschule, suchte nach Veränderung im System und wünschte sich mit jüngeren Menschen zu arbeiten. Er brachte all das mit, was wir uns für einen Lernbegleiter für hauswirtschaftliche Projekte wünschten, inkl. Hochschulstudium. Auch die am Gespräch beteiligten Schüler*innen waren begeistert.

Jedoch… am Ende keine #Unterrichtsgenehmigung. Ich könnte viele solcher Beispiele nennen und sie ziehen Ressourcen aus einer Schule, die meist keine Ressourcen zu verschenken hat.

Also richtet sich der Blick der meisten Suchenden auf die „eierlegende Wollmilchsau“. Lehrer*innen mit 2. Staatsexamen, oder auch Sozialpädagog*innen, am besten mit Erfahrung in Freier Schule und reformpädagogischem Hintergrund. Selbiger ist jedoch für die Behörden irrelevant und meist „lediglich“ für die Schulen von Bedeutung. Doch diese Menschen fallen, wie Eingangs schon erwähnt, nicht vom Himmel.

Und nun?

Wo kann man Pädagog*innen finden, die von Behördenseite eine Unterrichtsgenehmigung erhalten können und gleichzeitig die Werte verkörpern und Kompetenzen mitbringen, die eure Schule sich wünscht?

Zunächst könnt ihr natürlich auf den entsprechenden Portalen, wie dem Stellenmarkt des Bundesverbandes, dem #BFAS, schauen. Je nach Ausrichtung eures Konzeptes auch bei der Freinet Kooperative und Montessoriverbänden. Jedoch finden sich auf diesen Portalen auch weitaus mehr Suchanzeigen von Schulen, als Angebote von Bewerber*innen.

Viele Schulen nutzen auch verstärkt die sozialen Netzwerke, um aktiv Menschen anzusprechen. Manche inserieren auch in alternativen Zeitschriften, regionalen und überregionalen Zeitungen und ganz klassischen Jobbörsen. Letzteres geht häufig mit einem höheren zeitlichen Aufwand für Bewerbungen und Gespräche einher, da es das Spektrum der Bewerber erweitert.

In eher seltenen Fällen finden die Schulen genau den Menschen, der ihrem „Profil“ entspricht.

Was tun? Die Behörden erwarten, dass Qualifikationen vorgehalten werden und Fächer abgedeckt sind. Selbst wenn ihr gar nicht in Fächern denkt oder unterrichtet. Die Kinder wünschen sich emphatische Begleiter*innen an ihrer Seite, die ihnen eine gute Lebens- und Lernumgebung im Raum Schule bieten. Eltern erwarten Menschen, die ihre Kinder begleiten und nicht belehren oder bewerten. Das Kollegium wünscht sich eine Übereinstimmung der Werte, Entlastung, Knowhow.

Viele Wünsche! Doch wie nun erfüllen?

Häufig geht es nicht anders, als zunächst die geforderten Examen und Co. im Blick zu haben. Denn es gibt ja auch im staatlichen Schulsystem Menschen, die sich eine Veränderung im System wünschen und daher gerne an eine Freie Alternativschule wechseln möchten. Es mögen nicht genügend sein, um den ganzen Bedarf zu decken. Aber es gibt sie und es lohnt sich auch nach ihnen Ausschau zu halten.

Dabei ist es hilfreich im Vorfeld Einiges im Blick zu haben, um gut zusammenzukommen:

•   Schaut euch als Schulgemeinschaft im Rahmen einer aussagekräftigen Stellenausschreibung vorher genau an, welches Bewerber*innenprofil ihr sucht, auf welche Fähigkeiten ihr vielleicht auch verzichten könnt und auf welche keinesfalls. Wichtig ist auch zu überlegen, was ihr den Bewerber*innen bietet?

•   Entwickelt einen Leitfaden für eure Bewerbungsgespräche: Was möchtet ihr von der Person wissen? Was wollt ihr über euch erzählen? Was passiert im Anschluss an das Gespräch? Welche Unterlagen (z.B. Konzepte) möchtet ihr Bewerber*innen mitgeben, die in die nähere Auswahl kommen?

•   Überlegt euch ein Finanzierungskonzept für die jeweilige Stelle. Es ist hilfreich, wenn eure Bewerber*innen hier schon mit Klarheit aus eurem Gespräch herausgehen können.

•   Erarbeitet euch ein Einarbeitungskonzept, nachdem ihr jemanden in das System eurer Freien Alternativschule „einführen“und gut auf seinem/ihrem Weg zu begleiten könnt: Geht eine Hospitation voraus? Passiv oder mit „Probearbeiten“? Wer ist Ansprechpartner für Fragen und Unsicherheiten uvm. Welche Weiterqualifizierung könnt ihr bieten? Wo erwartet ihr z.B auch Selbststudium?

Im Idealfall darf ein neues Teammitglied nach der Einstellung dann erstmal einfach mitlaufen, dabei sein, viel beobachten und langsam in die neue Rolle herein wachsen. Häufig bleibt dafür; insbesondere in ganz kleinen Schulen, wenig Spielraum. Dann ist es hilfreich, wenn ihr außerhalb des Schulalltags Zeiten installiert, in denen ihr mit neuen Lernbegleiter*innen in den Dialog treten könnt.

Es braucht Zeit sich von der klassischen Lehrer*innen Rolle in die einer Lernbegleitung zu entwickeln.

Wenn sich alle Mitglieder der Schulgemeinschaft dessen bewusst sind und entsprechende Strukturen miteinander entwickeln, kann dies gelingen. Und je mehr Menschen den Weg in ein Alternatives Schulsystem gehen können, umso schneller können in Zukunft auch Schulen und Lernbegleiter*innen zusammenfinden.

Insbesondere die ganz kleinen Schulen sind von der Brisanz des Lernbegleiter*innenmangel zunehmend betroffen und können ggf. auch in Absprache mit den Behörden andere Lösungen entwickeln. Vielleicht gibt es die Möglichkeit Personal mit einer anderen Schule zu teilen oder zeitweilig Unterricht als Zwischenlösung online zu führen. Hier hilft ein offener Dialog mit den zuständigen Schulbehörden.

Zum Schluss bleibt zu hoffen, dass die gesetzlichen Regelungen der Mangelsituation entsprechend angepasst werden und so Quereinsteiger in der Zukunft einen leichteren Weg in unsere Schulen finden können.

Laura Vollmann